Gemeinfreiheit und Urheberrechte
Wenn man seinerzeit die Urheberrechte streng ausgelegt hätte, hätten wir heute weder Märchen noch Heldenepen.
Ich bin sehr für die Bewahrung der Urheberrechte und den Schutz geistigen Eigentums. Das hat vor allem mit der schlechten Bezahlung kreativer Leistungen zu tun. Andererseits: Im Mittelalter waren Stoffe wie aus der Artussage oder der altisländischen Edda gewissermaßen gemeinfrei. Sie waren allgemein bekannt und wurden beim Weitertragen immer wieder verändert. Jeder konnte sich bedienen und daraus etwas Eigenes schnitzen: Wolfram v. Eschenbach den Parzival, ein unbekannter Epiker das Nibelungenlied usw. Bei strengen Urheber- bzw. Veröffentlichungsrechten hätten wir heute weder Märchen noch diese Heldenepen.
Im Internet entwickelt sich gerade eine Parallelwelt. Dort kursieren vor allem im Bereich Lebenshilfe Texte, die bekannten Namen zugeordnet werden, z.B. Charlie Chaplin, Nelson Mandela, einer alten Frau auf dem Sterbebett oder der deutschen Post (der hübsche Text von Wolf Wondraschek über den Postsackbeutel). Das ist ein Vorgang, bei dem Texte quasi in eine Art Gemeinfreiheit überführt werden, indem die Autoren und -innen depersonalisiert werden. Sehr spannend!
veröffentlicht: 26.04.2025 / Anke Engelmann