Von »Ende« bis Buchladen II: Das Exposé

Verlagsvertrag? Ich hatte Glück. Der Verlag Voland & Quist hat meinen Hannes ins Programm genommen. Doch wie kommt man dahin? Was braucht man dafür? Dazu in Teil zwei Erfahrungen und Gedanken zum Thema Exposé.

Wenn ein Manuskript einen Verlag oder eine Literaturagentur begeistern soll, braucht es ein Exposé, und das muss blitzen wie ein Diamant. Das Exposé ist die Pflicht zur Kür. Fraglos, ein Roman macht auch Arbeit – 200 Seiten wachsen nicht an einem Tag. Und die Textprobe zum Exposé ist mit besonderer Sorgfalt zu polieren.

Aber das Exposé! Wie nichts sonst verkörpert es die Zwitterexistenz eines Schriftstellers. Nichts mehr von Schöngeist. Du schlüpfst in die Haut eines Autohändlers, eines Staubsaugerverkäufers. Mit einem Köfferchen ziehst du von Haus zu Haus. Bei Wind und Wetter stehst du auf dem Markt und preist laut deine Ware an. Seriös wirken! Aber nicht zu dick auftragen, nicht zu sehr anbiedern, nicht zu schmierig und aufdringlich werden! Dafür musst du alles vergessen, sonst gehst du an Ignoranz zugrunde. Dass du dein Baby über Abgründe und durch den Dschungel geschleppt hast, dass du ihm in deinem Leben so viel Raum eingeräumt hast, auf Kosten deiner Gesundheit, deiner Familie und Liebsten, auf Kosten eines ausgewogenen Alltags und Kontostandes – dein Problem. Wen interessiert das schon.

Loslassen! Das Werk ohne Emotionen und elterlichen Stolz betrachten, nüchtern und realistisch! Kein Exhibitionismus! Meist stellt sich dieser Abstand ein, nachdem die E-Mail mit Exposé und Textprobe zum ersten Mal das Postfach verlassen hat: der Auweia-Effekt. Ohnehin fällt die Exegese leichter, wenn der Roman eins-zwei-fix heruntergeschrieben wurde und sich eng an einem Plotgerüst entlang hangelt. Dann neigt man auch nicht dazu, sich im Anschreiben für sein absurdes Hobby zu entschuldigen.

Mir jedoch geht es, wie Juli Zeh in ihren Poetikvorlesungen beschreibt (unter dem Titel »Treideln«): Erst, wenn das Skript fertig und mehrfach überarbeitet ist, weiß ich, worauf alles hinausläuft. Beim Überarbeiten und in der oft schmerzhaften Auseinandersetzung mit ersten Lesern (Lektorat) kristallisieren sich Stränge und Themen heraus. Ich kann an dem rohen Textblock schnitzen und meine eigene Weisheit bestaunen.

Natürlich beginne ich mit einer Intention, einem Thema. Doch erst beim und durchs Schreiben entsteht Distanz. Wege öffnen sich. Erfahrenes, Erlebtes und emotional Gebundenes lösen sich, verknüpfen sich mit spontanen Einfällen. Jede Entscheidung, Knotenpunkt in einem Netz, führt zu weiteren Entscheidungen. Welchen Weg ich gehen, welche Entscheidungen ich treffen werde – das weiß ich doch vorher nicht! Und wenns so wäre: wie langweilig! Das würde mich des Vergnügens berauben, das mich über Jahre und Durststrecken trägt.

Das Exposé begleitet von den ersten Überlegungen bis zum Verlagsvertrag. Konzept, Skizze, Plan, Arbeitshilfe? Vergiss es! Nötig wird es, wenn ich aus meinem engen Arbeitskreis heraustrete, weil ich von etwas leben muss. Und dann sollte es bereits gut abgehangen sein. Ein Papier gewordenes Verkaufsargument, beantwortet es Interessenten Fragen wie: Was will die Dichterin mit ihrem Buch sagen? Ist ihr zu trauen, weiß sie, was sie tut? Und, ganz wichtig: Werden viele Leser bereit sein, dafür Geld auszugeben?

Wer professionell mit dem Schreiben Geld verdienen will, betritt den Markt sehr früh. Das Exposé muss dann stehen – am besten, bevor die Arbeit losgeht. Stipendien-Geber zum Beispiel stellen sich das Prozedere so vor: Die Schriftstellerin überlegt sich, was für ein Buch sie schreiben will. Alle Details und Wendungen listet sie übersichtlich in einer Excel-Tabelle auf. Damit verfasst sie das Exposé. Und dann das Buch: einfach nur die Liste abarbeiten, Punkt für Punkt. Kinderleicht, oder? Dazu eine Bemerkung des Thriller-Autors Andreas Pflüger. Auf einem Fachtag erinnerte er sich, wie beim Erscheinen seines ersten Buches jemand das Exposé herausgekramt hatte, das er dazu eingereicht hatte. »Wir haben herzhaft gelacht«, sagte er.


Literaturempfehlungen
Ratgeber mit konkreten Einzelheiten, z. B.
Was enthält ein Exposé? Welche Form, welche Länge? Wie das Anschreiben formulieren?

     André Hille: Titel, Pitch und Exposé für Romane. Textmanufakturverlag,
     Fischerhude 2016
    
Hans Peter Roentgen: Drei Seiten für ein Exposé. Sieben Verlag Fischbachtal 2010

Der Literaturbetrieb, amüsant und kurzweilig:
     Juli Zeh: Treideln. btb in Random House, München, 2015

veröffentlicht: 21.04.2025 / Anke Engelmann

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