Poesieblog
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Die “Herr Professorin”-Kreuzritter
Dass sich engherzige Fanatiker besonders gern auf Demokratie und Meinungsfreiheit berufen, ist weit verbreitet, aber immer wieder verblüffend. Bestimmte Triggerpunkte lassen diese Leute aufschreien. Spiegel Online, der die falsche Verkürzung "Herr Professorin" in die Welt gesetzt hat, hat einen solchen Punkt getroffen, mit einer Meisterschaft, wie sie gewöhnlich nur die Bild-Zeitung beherrscht.
Dass sich engherzige Fanatiker besonders gern auf Demokratie und Meinungsfreiheit berufen, ist weit verbreitet, aber immer wieder verblüffend. Bestimmte Triggerpunkte lassen bestimmte Leute aufschreien. Spiegel Online, der die falsche Verkürzung "Herr Professorin" in die Welt gesetzt hat, hat einen solchen Punkt getroffen, mit einer Meisterschaft, wie sie gewöhnlich nur die Bild-Zeitung beherrscht. Ich jedenfalls hab sie satt, die „Herr Professorin“-Diskussionen, die Aufreger über die sprachlichen Regelungen an der Universität Leipzig sowie in Potsdam. Dieser Geifer! Diese Wut! Eine sprachliche Diktatur, die man nur mit der Stasi vergleichen könne, ein „Sind wir jetzt schon wieder so weit, ja?!“, gefolgt von einem „Das muss man ja noch sagen dürfen! Immerhin haben wir Meinungsfreiheit!“ Meinem Gesprächspartner von letzter Woche möchte ich hiermit folgende Klarstellung ans Herz legen: Die „Verweiblichung“ der Anredeformen betrifft ein einziges Dokument: die Grundordnung der Universität. Im Alltag der Studierenden wird sich nichts verändern, so eine Erklärung der Uni. Es bleibt also bei "Herr Professor" und "Frau Professorin". Die Gefahr, dass eine Magisterarbeit (die jetzt übrigens Master-Arbeit heißt) wegen einer falschen Anrede abgelehnt wird, besteht also definitiv nicht. Trotzdem: Gut, dass wir drüber geredet haben! Zum Nachlesen: Bildblog Nachtrag: Ein Interview mit der Linguistin Luise PuschFreischaltung: 30.07.2013, 00:00 / Anke Engelmann in Gutes Deutsch, Politisches
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Die Passiv-Dame
Wie ich (fast) lernte, den (das?) Passiv zu mögen.
Dialog mit der Kassenfrau gestern (10. Februar) im Museum Erfurt: "Müssen wir für den Vortrag Eintritt bezahlen?" "Eintritt wird bezahlt werden." "Ach, der Eintritt ist frei?" "Der Eintritt wird VON IHNEN bezahlt werden."Freischaltung: 11.02.2013, 00:00 / Anke Engelmann in Gutes Deutsch
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Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan …
Rassismus, Sexismus, Gewalt gegen Schwächere, haben unsere Kultur geprägt. Endlich sind wir dafür sensibel geworden. Wird auch mal Zeit.
Kinderbuchverlage haben angekündigt, anstößige Worte in Büchern durch weniger anstößige zu ersetzen. Aus dem „Negerkönig“ in „Pippi Langstrumpf“ wird ein „Südseekönig“ und auch an die „kleine Hexe“ von Otfried Preussler soll Hand gelegt werden. Gut, dass wir endlich drüber reden. Vor einiger Zeit haben wir bei einer Familienfeier zu Ehren der hochbetagten Jubilarin ihre Lieblings-Volkslieder gesungen. Als die alte Dame und mit ihr die ganze Runde begeistert „Lustig ist das Zigeunerleben“ schmetterte, verging mir der Spaß. Mir wurde bewusst, wie tief rassistische Klischees in unser Kulturgut eingewoben sind. Auch das „Heidenröslein“ mag ich nicht, weil es meiner Meinung nach die Geschichte einer Vergewaltigung erzählt. Rassismus, Sexismus, Gewalt gegen Schwächere, haben unsere Kultur geprägt. Endlich sind wir dafür sensibel geworden. Wird auch Zeit. Trotzdem bin ich dagegen, aus Kinderbüchern anstößige, weil politisch unkorrekte Worte zu tilgen. Warum? Weil meiner Ansicht nach damit unsere Geschichte glatt gebügelt würde. Und überhaupt: Wenn schon, müsste „Pippi“ auch umbenannt werden: Der Name der kleinen Anarchistin erinnert klanglich an „Püppi“ (von Puppe) oder an „Pippi machen“ – wenn das nicht diskriminierend ist. Das Zitat: „Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan …“, lautet im Original: „Der Mohr hat seine Arbeit getan, der Mohr kann gehen“ und stammt von Schiller.Freischaltung: 22.01.2013, 00:00 / Anke Engelmann in Gutes Deutsch
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Beamtendeutsch
Durch die Entdeckung eines biologisch-floralen Vegetationselementes der Gattung Rosacea des Farbbereiches rot auf einem mit spärlicher Spontanvegetation und ohne raumübergreifendes Großgrün bestücktem Landschaftsbereich wurde ein Minderjähriger männlichen Geschlechtes zur Beschleunigung seiner fußmäßigen Fortbewegungsweise veranlasst und nach Inaugenscheinnahme desselben, aufgrund einer, die amtlicherseits festgelegten Grenzwerte überschreitenden spontanen Gefühlsäußerung registriert.
Dieses Kleinod habe ich kürzlich als Übung für eines meiner Seminare erstellt. Wer herausbekommt, welchen Text (1. Strophe) ich hier verballhornt habe, dem spendiere ich ein Bienchen. Durch die Entdeckung eines biologisch-floralen Vegetationselementes der Gattung Rosacea des Farbbereiches rot auf einem mit spärlicher Spontanvegetation und ohne raumübergreifendes Großgrün bestücktem Landschaftsbereich wurde ein Minderjähriger männlichen Geschlechtes zur Beschleunigung seiner fußmäßigen Fortbewegungsweise veranlasst und nach Inaugenscheinnahme desselben, aufgrund einer, die amtlicherseits festgelegten Grenzwerte überschreitenden spontanen Gefühlsäußerung registriert. Unter Rücksichtnahme auf das jugendliche Alter des noch nicht strafberechtigten Missetäters wurde auf weitere Strafverfolgungsmaßnahmen zunächst verzichtet, das Delikt jedoch in Beabsichtigung einer Erziehungsmaßnahme durch den Medienschaffenden G. der Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht. (Zusatz: Wie an anderer Stelle gesagt: ich mag das Gedicht nicht. Aber zum Verballhornen reicht's.)Freischaltung: 09.01.2013, 00:00 / Anke Engelmann in Gutes Deutsch · 2 Kommentare
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Gutmenschen: Antwort auf eine Anfrage
Auch wenn andere das ironisch sehen und sich über politische Überkorrektheit mokieren, wie z.B. das „Wörterbuch des Gutmenschen“ von Klaus Bittermann (u.a.), das sich in der Tradition der 68-er Bewegung versteht - für mich klingt das Wort in allen seinen Ableitungen unangenehm nach Abwertung und Verachtung und wird deshalb für mich immer ein Nazi-Wort sein.
Lieber Herr P., Sie haben mich nach weiteren Thesen für die Herkunft des Wortes "Gutmenschen" gefragt. Hier nun meine Antwort: In der Tat schien mir diese Ableitung, die immerhin nicht nur vom DJV stammt, sondern auch vom Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS), naheliegend (auch wenn das DISS eher links ist). Vielleicht habe ich sie deshalb übernommen, ohne andere Quellen anzugeben. Mit NS-Lektüre kann ich nicht dienen, ich surfe nicht mehr auf altermedia und Co (die altermedia-Betreiber wurden ja gerade verurteilt). Belege für eine Verwendung in diesen Kontexten finden Sie eine Menge im Guttmensch-blog oder auch hier. Wikipedia führt die DJV-Etymologie auch mit auf, allerdings als eine von mehreren und ohne Kommentar. Schlüssig finde ich den Nachweis der Wortverwendungen bei der Gesellschaft für deutsche Sprache, doch für mich gehört die Ideengeschichte um das Wortfeld eben auch zur Etymologie. Unstrittig ist auch bei Wikipedia und der gfds, dass der Begriff „Gutmensch“ gern in (neu-)rechten Kontexten verwendet wird . Auch wenn andere das ironisch sehen und sich über politische Überkorrektheit mokieren, wie z.B. das „Wörterbuch des Gutmenschen“ von Klaus Bittermann (u.a.), das sich in der Tradition der 68-er Bewegung versteht - für mich klingt das Wort in allen seinen Ableitungen unangenehm nach Abwertung und Verachtung und wird deshalb für mich immer ein Nazi-Wort sein. Ich kann nix damit anfangen, wenn Häme als Humor daherkommt. Herzliche Grüße und ein schönes Wochenende Anke EngelmannFreischaltung: 29.11.2011, 00:00 / Anke Engelmann in Gutes Deutsch
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Verdauung und Verdauerung
Schreiben ist Verdauung und Verdauerung. Wer schreibt bleibt. Wer nicht schreibt, auch. Aber nicht so lange.
Der Prozess der Verschriftlichung von Gedanken und Absichten, die Objektivierung der eigenen Erfahrungen ist ein Durcharbeiten, eine Gärung. Die LeserInnen bekommen nur das Ergebnis zu sehen, den Prozess können sie oft nicht nachvollziehen, ja, er ist ihnen meist nicht einmal bewusst.
Leseempfehlung: Johannes Berning. Schreiben als Wahrnehmungs- und Denkhilfe
Freischaltung: 14.07.2011, 00:00 / Anke Engelmann in Gutes Deutsch, Poesie-Debatte