Poesieblog

  • Berauscht

    veröffentlicht: Anke Engelmann, Montag, 16.03.2015 in Schreiben

    Texte, die ich im Suff geschrieben habe, konnte ich am nächsten Tag in die Tonne hauen. Ideen, die unter Alk unglaublich faszinierend waren, Zusammenhänge, die sich mir überraschend eröffnet hatten, konnte ich nüchtern nicht mehr nachzuvollziehen. Die Texte waren Ich-bezogen und nicht leserInnen-orientiert, sprangen in wilden Assoziationen, die in keinem (erkennbaren) Zusammenhang standen, ohne Struktur, ohne roten Faden.

    Dass Schreiben ein tranceartiger Zustand sein kann, habe ich an anderer Stelle schon beschrieben. Aber kann man den Schreib-Rausch verstärken und mit Alkohol oder anderen Drogen nachhelfen? In unserer Kultur hält sich hartnäckig die Vorstellung vom entgrenzten, rauschhaften Schreiben, bei dem gewisse – ähm – Substanzen alle inneren Schranken und Vorbehalte ausräumen und ein echter und wahrhaft kreativer Kern zum Vorschein kommt. Befreiung, völlige Loslösung bis zur Ekstase! Und waren Leute wie Hemingway, Rausch-Schreiber wie die französischen Surrealisten, Edgar Allan Poe, Jack London, Zecher wie Villon und Bellmann, Thomas De Quincey, waren das keine großen Dichter? Ich denke, diese Leute haben nicht gut geschrieben, weil sie Drogen genommen haben, sondern OBWOHL. Rausch bläst das Ego auf bis zum Popanz. Meine eigenen Erfahrungen aus meiner Jugendzeit (inzwischen trinke ich weder Alkohol noch nehme sonst Drogen): Texte, die ich im Suff geschrieben habe, konnte ich am nächsten Tag in die Tonne hauen. Ideen, die unter Alk unglaublich faszinierend waren, Kontexte, die sich mir überraschend eröffnet hatten, konnte ich nüchtern nicht mehr nachzuvollziehen. Die Texte waren Ich-bezogen und nicht leserInnen-orientiert, sprangen in wilden Assoziationen, die in keinem (erkennbaren) Zusammenhang standen, ohne Struktur, ohne roten Faden. Wär auch zu schön, wenn es so easy wäre: Der schüchterne Dichter (fast immer ein Mann), der sich mit einer Ladung Rotwein/Whisky/anderen Substanzen in seinem Arbeitszimmer einschließt und nach Tagen oder Wochen wieder zum Vorschein kommt, völlig übernächtigt und ausgebrannt, aber mit dem supergenialisten aller Texte in der Hand. Wunschtraum! Klischee-Alarm! Eine Form suchen, sich ausdrücken, und innere Widerstände und Selbstzweifel auflösen - unter Drogen scheint das gut zu funktionieren. Aber, hey, das ist ein Trugschluss. Denn der Berg wird größer, im Rausch spürt man ihn nur nicht mehr, aber er wächst und wächst, wenn man ihn nicht abträgt. Und schließlich kommt man überhaupt nicht mehr durch. Außerdem ist es viel spannender, den inneren Widerständen auf den Grund zu gehen und sie damit aufzulösen. Dauert länger, klar. Gibt aber auch wieder Stoff für's Schreiben, oder?
  • Selbstzeugnisse von Schriftstellern

    veröffentlicht: Anke Engelmann, Donnerstag, 12.03.2015 in Schreiben

    Schreiben ist ein sehr individueller Prozess. Ich selbst bin jedesmal wieder beeindruckt und ergriffen, wenn sich das Chaos scheinbar von selbst ordnet und sich alles organisch zusammenfügt.

    Ein seltener Glücksfall ist dieser Artikel: Die Süddeutsche Zeitung hat 21 SchriftstellerInnen nach ihren Schreibgewohnheiten befragt. Die Antworten zeigen: Schreiben ist ein sehr individueller Prozess. Ich selbst bin jedesmal wieder beeindruckt und ergriffen, wenn sich das Chaos scheinbar von selbst ordnet und sich alles organisch zusammenfügt. Leider bin ich bei meinem eigenen Projekt erst auf Seite 80/81 und von diesem magischen Augenblick noch weit entfernt.
  • Verlage verschwinden aus Suchmaschinen

    veröffentlicht: Anke Engelmann, Dienstag, 16.09.2014 in Lesen, Schreiben

    Erste Auswirkungen des neuen Leistungsschutzrechtes beschreibt Stefan Niggemeier in seinem Blog. Demnach zeigen die Suchmaschinen GMX, Web.de und t-online die Seiten von Verlagen nicht mehr an, die unter das Leistungsschutzrecht fallen - darunter die Berliner Zeitung, Morgenpost, Abendblatt, WAZ u.ä.

  • Lewitscharoffs Dresdner "Rede"

    veröffentlicht: Anke Engelmann, Freitag, 07.03.2014 in Politisches, Schreiben

    Was ist wohl in Sibylle Lewitscharoff gefahren? Als Schriftstellerin muss sie wissen, welche Macht die Worte haben. Persönliche Betroffenheit darf nie zu Abwertung führen – eine so versierte Autorin muss verantwortungsvoll mit der Sprache umgehen. Wer sich selbst ein Bild machen will – hier ist die Rede im Wortlaut.

  • Mein Sauerteig-Gleichnis

    veröffentlicht: Anke Engelmann, Mittwoch, 19.02.2014 in Schreiben · 3 Kommentare

    Literarisches Schreiben ist wie Sauerteig ziehen und Brot backen: Das geht nicht mit Wasser oder Spucke. Man braucht Handfestes, Mehl, Salz und andere Zutaten, braucht Zeit und ein Ofen sollte auch bereitstehen. Nur mit Phantasie kann man keine Geschichten schreiben

    Literarisches Schreiben ist wie Sauerteig ziehen und Brot backen: Das geht nicht mit Wasser oder Spucke. Man braucht Handfestes, Mehl, Salz und andere Zutaten, braucht Zeit und ein Ofen sollte auch bereitstehen. Nur mit Phantasie kann man keine Geschichten schreiben – Material ist nötig, Personen, Situationen oder Eindrücke, die man aufeinander wirken und miteinander reagieren lässt. Gewürzt mit dem, was dem/der Autorin eigen ist, gärt die Masse wie Sauerteig, wirft Blasen, geht auf. Sie wird gefüttert und gewärmt, so dass die Bestandteile ineinander verschmelzen, nicht mehr zu trennen sind und etwas völlig Neues entsteht. Bevor er gebacken werden kann, muss der Teig gewalkt und geknetet werden. Er muss ruhen und reifen. Immer wieder. Arbeit und Muße. Walken und Reifen. Nur ein gereifter Teig wird im Ofen ein gutes Brot. Und die Phantasie? Pah! Nur eine von vielen Zutaten! Anmerkung: Sauerteig, sein Reifen und seine Verarbeitung – dieses Bild haben viele Autoren im Mittelalter und der Renaissance als Gleichnis angeführt. Ich selbst habe einmal eine entsprechende Textstelle des Arztes und Alchimisten Theophrastus Bombastus von Hohenheim, auch Paracelsus genannt, ins moderne Deutsch übertragen.
  • Gesetz zum Leistungsschutzrecht verabschiedet

    veröffentlicht: Anke Engelmann, Freitag, 01.03.2013 in Schreiben

    ist es also doch passiert: Der Bundestag hat heute das umstrittene Gesetz zum Leistungsschutzrecht verabschiedet. Damit wollen Verlage ein Stückchen vom Google-Kuchen: Künftig sollen gewerbliche Anbieter wie Suchmaschinen (oder das Poesiebüro) zahlen, wenn sie Auszüge von Artikeln (Snippets) zitieren.

    Text der Gesetzesvorlage

  • Schüttelreime …

    veröffentlicht: Anke Engelmann, Freitag, 22.02.2013 in Schreiben

    Die Lebenslaster eines Lastenhebers sind Leberhasten und des Lebens Laster. Das Leben hasst er und voll Hast erlebt er's.

    ... sind geschüttelte Reime. Wie dieser hier (Eigenproduktion): Die Lebenslaster eines Lastenhebers sind Leberhasten und des Lebens Laster. Das Leben hasst er und voll Hast erlebt er's.
  • Server von mediafon lahmgelegt

    veröffentlicht: Anke Engelmann, Dienstag, 12.02.2013 in Schreiben

    Leider hat sich der kriminelle Teil der selbsternannten Netzgemeinde entschlossen, den Server zu attackieren, auf dem auch mediafon läuft. Information und solidarische Beratung sind offensichtlich etwas, das diese "Kämpfer für ein freies Netz" nicht unter Freiheit verstehen.

    Folgende Mail habe ich heute bekommen und gebe sie hier unverändert wieder. Ein Kommentar erübrigt sich. Liebe Kollegin, lieber Kollege, leider hat sich der kriminelle Teil der selbsternannten Netzgemeinde entschlossen, den Server zu attackieren, auf dem auch mediafon läuft. Eigentliches Ziel des Angriffs war die Informationsplattform www.urheber.info, auf der viele Urheber-Verbände Informationen für die Diskussion rund um das Thema Urheberrechte zur Verfügung stell(en). Information und solidarische Beratung sind aber offensichtlich etwas, das diese "Kämpfer für ein freies Netz" nicht unter Freiheit verstehen. Die - mit Verlaub - Arschlöcher, die statt mit Argumenten mit brachialer Gewalt ihr Recht auf Eure Kosten (als UrheberInnen) erkämpfen wollen und sich (in diesem Fall) hinter dem Namen Anonymus Deutschland verstecken, sind also Schuld daran, dass es die nächsten Tage ein wenig mit der Erreichbarkeit von mediafon haken wird - so lange, bis alle Namensserver die IP-Adresse des neue Servers wissen, auf dem mediafon nun läuft. Wir nehmen an - und so hat der ganze Ärger vielleicht auch was Gutes -, dass dies für Euch Anlass sein wird, in Diskussionen, Web-Foren und Wahlentscheidungen genauer hinzuschauen, wer Eure Interessen tatsächlich vertritt und entsprechend Stellung zu beziehen. Mit dem vorgeblichen Kampf gegen eine "Content-Mafia" hat es nämlich nichts zu tun, wenn nun jene Verbände und Gruppen attackiert werden, die Argumente nennen, warum und wie es Medien- und Kulturschaffenden möglich bleiben soll, von ihrer Arbeit auch leben zu können. - Das vermeintliche Ideal, sich fremde Werke kostenlos aneignen zu können, wird den Kreativen kaum die notwendigen angemessenen Honorare und Tantiemen herbeischaffen, die sie zum Überleben brauchen. Euer mediafon-Team
  • Du tappst die falschen Tisten, luber Bieb!

    veröffentlicht: Anke Engelmann, Donnerstag, 15.03.2012 in Schreiben

    Meine winderluche Schribmischane, Bild: Foto: Anke Engelmann
    Meine winderluche Schribmischane, Bild: Foto: Anke Engelmann

    Als Wissenschaftlerin fühle ich mich verpflichtet, möglichst viele Schreibwerkzeuge und –techniken zu beherrschen und scheue dabei keine Unannehmlichkeiten. Mein aktueller Selbstversuch: Ich erlerne die Daktylographie, die Kunst des Zehn-Finger-Tastatur-Schreibens. Unter dem Titel: Taste it! oder wie ich lerne, die Tasten zu tasten erscheint hier das Protokoll dieses großen Projektes und wird von mir laufend aktualisiert
    Versuchsbeginn:
    15. März 2012 um 10.30 Uhr MEZ
    Die Methode:
    gestützt auf moderne Mnemotechnik (NLP-orientiert und die Sinne ansprechend) die Zuordnungen der Buchstaben/Zeichen zu den Tasten lernen, immer wieder schreibend memorieren und so lange üben, bis sich eine Automatisierung der Fingerbewegungen einstellt.
    Ausgangssituation und Motivation: Bisher nutzt die Probantin ein von ihr selbst intuitiv entwickeltes Zwei-mal-drei-bis-vier-Fingersystem, das der ständigen Blickkontrolle bedarf. Das damit verbundene Neigen des Kopfes führt aufgrund einer orthopädischen Schädigung regelmäßig zu Beeinträchtigungen wie Kopfschmerzen und Migräne.
    Hilfsmittel:
    Zwei Schreibprogramme wurden bereits getestet und verworfen. Beim ersten handelte es sich um die kostenlose Demoversion eines Schreibtrainers, die lediglich die Buchstaben der Grundreihe umfasste: asdfg und äölkjh. Die zweite war Inhalt eines Schreiblern-Kurses der örtlichen VHS. Beide erschienen der Probantin wegen inhaltlicher Widersprüche als mnemotechnisches Hilfsmittel ungeeignet, um sich die Zuordnung Buchstaben/Zeichen immer wieder zu erschließen. Die Probandin entschloss sich, ein eigenes Mnemo-Gerüst zu entwickeln, das hier vorgestellt werden soll. Unterstützend soll zudem das Buch: Maschinenschreiben. Grundlehrgang. Vom Verlag Die Wirtschaft Berlin (Ost) 1987 zur Anwendung gebracht werden. (Anm.: ich liebe Funktionsverbgefüge. Endlich darf ich sie verwenden!) Zudem wird das Hilfsprogramm Tipp10 für Übungszwecke eingesetzt.

    Das Prinzip
    : Die Schreiblern-Programme versprechen den Erwerb der Tastatur-Schreibkompetenz (und die attributiven Genitive auch!) in wenigen Stunden. Sie basieren auf einer Geschichte, deren bedeutungstragende Wörter jeweils mit den entsprechenden Buchstaben der Tastatur beginnen. Diese Bedeutungen werden miteinander verknüpft, so dass eine fortlaufende Handlung entsteht: also beispielsweise eine Ameise, die in eine rote Stadt wandert, wo sie auf einer grünen Dachterrasse (?) durch ein blaues Fenster ein blaues Geschenk erblicken soll. Die bedeutungstragenden Elemente werden, wie hier deutlich gemacht, zudem mit Farben unterstützt, und, in einigen Fällen, mit anderen Sinneseindrücken wie Gerüchen (olfaktorisch), Geräuschen (akustisch) oder Geschmack (gustatorisch) verknüpft. Vermittelt wurden diese Elemente zunächst akustisch im Rahmen einer mit Fahrstuhl-Musik unterlegter Entspannungsübung.

    Die Handlungen sowie einige Verknüpfungen der Farben und Bedeutungen empfand die Probandin zumeist als unlogisch, unethisch oder unappetitlich. So sollte in einem Fall „leckeres gelbes Wasser“ getrunken werden, was gewisse Assoziationen weckte. In einem anderen sollte Suppe aus Haifischflossen gegessen werden, was die Probandin aus ethischen Gründen ablehnt. Die Probandin entschloss sich deshalb, den Prinzipien der Schreiblern-Programme folgend, eine eigene Geschichte zu entwickeln, die auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist. An dieser Stelle folgt nun der erste Praxisbericht. Der Einfachheit halber verwendet die Probandin zunächst die Technik des Free Writing. Zu beachten ist zudem, dass die Nutzung der Umschalttaste für die Großschreibung noch nicht Bestandteil der Lektion war die finger liegen in aurdsgangangsopositipon.l kjsgero´ßscfjhrweiboung wadr n Die Probandin unterbricht an dieser Stelle ihre Übungseinheit, die sie auf einen späteren Zeitpunkt vertagt.

  • Abschied von meinem Füller

    veröffentlicht: Anke Engelmann, Mittwoch, 14.03.2012 in Schreiben

    Wann habe ich Dich eigentlich gekauft? Oder habe ich dich geerbt, von meinem Bruder oder meinem Vater? Oder hat Dich meine Mutter „gefunden“? Wahrscheinlich warst Du eines Tages einfach da, in einer Schublade mit abgebrochenen Blei- und Buntstiften und leeren Drehbleistiften. Denn du bist älter als alle anderen Schreibmittel, die ich täglich benutze. Naja, da gibt es noch den alten Parker-Füller mit Tintentank. Aber der zählt nicht, denn der ist sozusagen antik. Und er ist zu dick und kratzt. Antik bist Du jedenfalls nicht. Aber schlank, griffig und leicht. In einen metallenen Zweireiher dezent gehüllt, schwarz mit goldenen Streifen. Das trägt nicht jeder. Und Du liegst gut in der Hand, hinterlässt kaum Druckstellen am Mittelfinger. Auch nicht nach langen Schreibmarathons. Nie hast du störrisch gekleckst. Nie hatte ich Tinte am Finger – jedenfalls nicht von dir. Deine Feder gleitet wie von selbst über das Papier, hinterlässt eine weiche, breite Spur. Du warst mein Privat-Sekretär. Ich habe Dir vertraut. Lange Jahre durftest Du mir das Tagebuch führen. Das ist eine besondere Aufgabe, eine Vertrauensstellung. Ein Tagebuch-Füller muss zuverlässig sein. Er darf den traurigen und aufregenden Erlebnissen, den Reflektionen, Träumen und Erinnerungen keinen Widerstand entgegen setzen. Er muss die Handschrift stärken, damit man auch nach Jahren alles noch einmal lesen, die Zeit wieder lebendig machen kann. Der rote Faden in meinem Leben bist du. Obwohl Du mal grün warst und mal schwarz, mal violett, meistens jedoch königsblau. Manchmal bist Du dünn und blass. Manchmal zittrig, knittrig, unsicher, wie im Dunkeln hingeworfen. Manchmal groß und energisch. Manchmal eng und dicht, immer wieder neue Gedanken in Frei- und Zwischenräume gestopft. Und manchmal ist auch was aufs Papier getropft und hat die Schrift verwaschen. Tränen vielleicht oder Tee. Und jetzt? Ich hoffe, Du kommst ins Füllerparadies. Oder vielleicht wird aus Dir ein neuer Füller gemacht. Einer, mit dem ein Kind schreiben lernt, ein Dichter ein Gedicht schreibt oder einen Roman, eine Liebende einen Liebesbrief. Doch wenn Du bei einem Manager landest von einem Konzern oder einer Bank, einem Unternehmensberater oder einem Politiker. Und der nimmt dich aus seiner Tasche, schraubt Dich auf und setzt an, um mit Dir Kündigungen zu unterschreiben oder Milliardendeals und mit einem Federstrich Existenzen zu vernichten. Dann mein Lieber – darfst du klecksen!
  • Brotlose Kunst oder gute Arbeit, wenig Geld

    veröffentlicht: Anke Engelmann, Dienstag, 28.02.2012 in Schreiben

    Wissen als Schlüsselressource? Bildung ist alles? Dass ich nicht lache! Gut ausgebildete Akademikerin mit Anspruch und Begeisterung erledigt Aufträge für Dumping-Preise.

    Bildung schadet: Ein Fundstück im Freitag zum Thema gute Arbeit für schlechtes Geld oder schlechte Arbeit für gutes Geld. Spricht mir aus der Seele. Wissen als Schlüsselressource? Bildung ist alles? Dass ich nicht lache! Gut ausgebildete Akademikerin mit Anspruch und Begeisterung erledigt Aufträge für Dumping-Preise. Immer wieder ein Balanceakt. Wo ist die Grenze, wo muss ich mich so stark verbiegen, dass ich mein Alleinstellungsmerkmal verliere? Wann bin ich so weit, dass ich als Selbstständige auch die miesen 0-8-15-Jobs annehmen muss und damit meine Fähigkeiten, mein Wissen und meine Erfahrungen wegdrücke und mich für teuer oder weniger teuer Geld unter meinem Wert verkaufe? Frustrierend ist das.
  • Lasst die Buchstaben tanzen

    veröffentlicht: Anke Engelmann, Dienstag, 22.02.2011 in Schreiben

    Die Thüringer Grundschulen schaffen die Schreibschrift in der ersten Klasse ab.

    Die Thüringer Grundschulen schaffen die Schreibschrift in der ersten Klasse ab. Ich erinnere mich noch, wie ich das Schreiben für mich entdeckte, die Lust, Buchstaben zu malen und damit Botschaften zu erschaffen. Da waren diese geheimnisvollen Zeichen der Schreibschrift, tanzende Striche und Figuren, die miteinander in einem komplizierten Beziehungsgeflecht standen. Das kleine k mit seinem dicken Bauch machte einen Ausfallschritt, das x tanzte Cha-Cha-Cha, das große S drehte eine Pirouette, das kleine s musste sich abstützen dabei. Ich weiß nicht mehr, wie lange ich brauchte, um zu begreifen, dass Schreib- und Druckschrift zwei Varianten desselben Phänomens sind. Kann sein, dass mich dieses Nebeneinander irritiert hat. Doch das hat mich nicht abgehalten. Die Schrift war ein Geheimnis, das ich unbedingt ergründen wollte. Ein Abenteuer, an dem nicht nur Augen und Kopf, sondern der ganze Körper beteiligt waren, der geduldig trainieren und üben musste. Ich glaube, Kinder brauchen solche komplexen Lern-Abenteuer. Wer sie ihnen nimmt, wer den Lernweg abkürzen will, schränkt sie ein in ihrem Ausdruck, in ihrer Lebendigkeit. Kinder wollen lernen, in aller Ausführlichkeit und mit allen Umwegen. Sie sind unglaublich gierig. Doch noch mehr beschäftigt mich der kulturhistorische Aspekt. Das Schreiben ist eine uralte Kulturtechnik, die dem Menschen nicht gerade nahe liegt, sondern die er mühsam erlernen muss - wie Auto fahren oder einen Computer benutzen. Die Schrift erst hat große kulturelle Leistungen möglich gemacht: Sie erlaubte die Trennung von Autor und Werk und damit die Weitergabe und Archivierung von Wissen über Raum und Zeit. Eine reine Gedächtniskultur, die sich nur auf eine mündliche Überlieferung stützen kann, ist immer verbunden mit der direkten Kommunikation. Verlieren Schreiben als Kulturtechnik und die Schrift immer mehr Bedeutung? Im Netz oder per SMS werden viele Begriffe oder Emotionen bereits mit Piktogrammen (sog. Icons) umschrieben: für :)) oder :o haben sich Konventionen herausgebildet, der Briefumschlag für eine eingehende E-Mail ist ebenso geläufig wie der Einkaufswagen oder der Papierkorb. Ist @ ein Buchstabe? Sicher nicht. Dass Texte im Internet anders gelesen werden als in Büchern, haben Untersuchungen mehrfach nachgewiesen: Die User springen von Text zu Text, folgen Links oder verlieren schlicht die Geduld und hören auf. Die Lesegewohnheiten haben sich rapide geändert. Man schaue sich alte Zeitungen an. Die reinsten Bleiwüsten. So etwas würde heute niemand mehr lesen. Schreibe ich mit der Hand oder lese ich, findet die Kodierung in meinem Kopf statt. Ich benutze Konventionen, die den Zeichen Bedeutungen zuordnen. Ich weiß, dass sich Worte aus Buchstaben zusammensetzen, ich kombiniere Zeichen und Bedeutungen automatisch. Der Computer hingegen kennt nur Nullen und Einsen. Er muss erst übersetzen, was ich in die Tastatur hacke. Die Computerhersteller haben mir die Eingabe erleichtert, eine Übersetzungshilfe geliefert, indem sie die Buchstaben auf die Tasten geprägt haben. Das erzeugt die Illusion, alles wäre noch beim Alten. Doch das glaube ich nicht. Irgendwann weisen unsere Tastaturen nur noch Piktogramme auf wie die Kassenautomaten bei Mac Donalds. Dann geben wir unsere Informationen nur noch per Touch Screen ein. Schließlich sprechen wir, statt zu schreiben. Aber ich muss jetzt aufhören. So einen langen Text scrollt niemand bis zum Ende. (Anke) Interessanter Beitrag zur Debatte von der Grundschullehrerin Ute Andresen: Die Hand, die Schrift, das Schreiben, die Freiheit Im Blog vom Freitag gibt es zu dem Thema einen interessanten Beitrag

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