Poesieblog

  • Coronamüde

    Corona und diese vielen Digitalformate bringen eine große Vereinzelung. Und ich zum Beispiel bin müde, so als soloselbständige Einzelkämpferin.

    Der Corona-Alltag hat mich ausgebrannt. Ich hatte zum Glück Stipendien, und man ist ja auch sehr dankbar. Aber als Finanzierung sind Stipendien anstrengend, wenn sonst alles weggebrochen ist. Man verzettelt sich, erfindet ständig neue Projekte, und der Roman, der sich nicht in einem Förderzeitraum schreibt, bleibt liegen. Stattdessen haut man sich noch ein Projekt rein und noch eins und steckt jedesmal viel Arbeit in die Antragsprosa.

    Die Geber gehen zudem davon aus: Man macht eine Sache fertig. Freut sich. Überlegt sich was Neues. Stellt einen Antrag. Wartet. Wird abgelehnt. Schreibt noch einen Antrag ... Und wovon lebe ich dazwischen, wenn ich sonst nix habe? Beantragen, wenn ich noch in einer Förderung stecke, geht nicht, für dasselbe Projekt nochmal gefördert werden, geht nicht. Man hangelt sich so über die Abgründe. Besser als die Gießkanne wäre es zudem, unsere Brotberufe besser zu bezahlen. Gerade die Leute, die mit Menschen arbeiten, werden exorbitant schlecht bezahlt.

    Dazu kommen die Widrigkeiten des digitalen Alltags. Die Uni, die Volkshochschule, Webex, Zoom, edudip, jeder benutzt eine andere Plattform. Alle unterscheiden sich in kleinen, aber wichtigen Funktionen, das lernt man by doing im Kurs und mit der Unterstützung erfahrener Teilnehmer. Ich hatte nach jedem online-Kurs das unbefriedigende Gefühl, dass ich manche Leute nicht erreicht habe, obwohl viele TN sehr dankbar auf meine Angebote reagiert haben. Und nach einem Kurstag ist man völlig geschlaucht. Auch meine interaktive Corona-Schreibseite ist irgendwann wieder eingeschlafen. Kein Wunder, so viele Digitalformate, wer hat darauf schon Bock? Wenn man eh den ganzen Tag in der Zoom-Konferenz hängt?

    veröffentlicht: Anke Engelmann, Mittwoch, 02.02.2022 in Corona, Schreiben

  • Kunst schafft Resilienz

    Corona, Omikron: Das Gesundheitsamt hatte das kreative Schreiben im Kultur: Haus Dacheröden nicht genehmigt. Die Veranstaltung gehöre nicht zur beruflichen Bildung und werde nicht über einen Bildungsträger angeboten, sagte die Mitarbeiterin des Gesundheitsamtes. »Dann darf sie nicht stattfinden.«

    Ob die Veranstaltung wirklich »unumgänglich notwendig« sei, fragte sie noch einmal. Wie bitte? Kunst ermöglicht uns, uns mit dem auseinanderzusetzen, was uns einschränkt, schmerzt, bewegt und umtreibt. Kunst ist wie die Träume, in denen sich das Unterbewusste der Gesellschaft regt und Emotionen und Erfahrungen verarbeitet. Kunst stellt Identifikationen bereit, stellvertretend kann man Grenzen überschreiten und Existentielles durchleben. Kunst erzeugt Gefühle, die es uns ermöglichen, die Welt auf eine bestimmte Art zu betrachten: mit einem Filter. Mit Distanz. Kunst schafft Orte des Rückzugs in einer auf Effizienz und Markt getrimmten Gesellschaft, Nischen, in denen man entspannen und Kraft schöpfen kann. Kunst erzeugt ein Gefühl von Gemeinschaft. Kunst schafft Resilienz.

    Kein Problem, die Veranstaltung digital zu anzubieten, darum geht es mir nicht. Und die Mitarbeiterin kann nichts für solche Entscheidungen. Mich erschreckt zutiefst, dass Kunst, Kultur und kulturelle Bildung anscheinend als Gedöns betrachtet werden, auf das man locker verzichten kann. Gerade das Schreiben schenkt uns Werkzeuge für die Bewältigung von Krisen, und das will ich in meinen Veranstaltungen weitergeben. Wenn alle Nischen dichtgemacht werden, die sich der Verwertungslogik entziehen – ich mag nicht über die Folgen nachdenken.

    veröffentlicht: Anke Engelmann, Mittwoch, 26.01.2022 in Corona, Politisches, Sprachpolitik

  • Genderdebatte

    Für alle, die nicht nur lesen, sondern auch hören: neue Argumente in der Genderdebatte und Hintergründe

    Bei Facebook gepostet (danke Olaf): Alicia Joe

    veröffentlicht: Anke Engelmann, Mittwoch, 12.01.2022 in Gefunden, Gender

  • Wahrhaft ein großer Mime!

    Man soll nicht alles für bare Münze nehmen, was in der Zeitung steht ...

    veröffentlicht: Anke Engelmann, Samstag, 18.12.2021 in Fundstücke

  • Polsterin oder Polstererin?

    Zwar rückt Weihnachten immer näher, doch muss man deshalb die Substantive wie Weihnachtsbäume behängen, um weibliche oder was auch immer für Identitäten anzuzeigen? Ein gutes Beispiel, wie irritierend so etwas aussehen kann, ist die weibliche Form der Berufsbezeichnung Polsterer. Eine Polsterin wäre ein weibliches Sofakissen.

    Einst habe ich "Facharbeiter für Polstertechnik" gelernt, so stehts auf dem Zeugnis und daraus lässt sich die weibliche Form gut ableiten: Facharbeiterin für Polstertechnik. Aber die Facharbeiter und Facharbeiterinnen gibt es nicht mehr. Der Beruf heißt jetzt Polsterer. Und die weibliche Ableitung davon? Polstererin oder Polsterin?

    1. Das Polster ist ein Sofakissen.

    2. Der Polsterer ist einer, der Sofakissen herstellt.

    3. Die Polsterin ist ein weibliches Sofakissen.

    Das Suffix -er ist im Deutschen eines der wichtigsten Ableitungssuffixe, um aus Verben, die eine Tätigkeit bezeichnen, jemanden (oder auch etwas) zu machen, der diese Tätigkeit ausübt. Zum Beispiel lehren: der Lehrer, kehren: der Kehrer. Das ist die Grundform, das so genannte und verrufene generische Maskulinum. Auch erkennbar am Artikel: das Polster – DER Polsterer. In diesem Fall blöd, weil sich mit der Suffigierung das Ende quasi verdoppelt: Polster-er-in. Und so wird schon das -er des Wortstammes (ein altes -ar) als Ableitungssuffix interpretiert. Ein Argument für meine Abneigung, beim Gendern die Substantive wie Weihnachtsbäume zu behängen. Ich plädiere dafür, die Mittel zu verwenden, die die Sprache sowieso bereitstellt: die Artikel!

    der Polsterer (Singular mask.)

    die Polsterer (Singular fem. und Plural fem. und mask. = generisch)

    (Zum Nachlesen empfehle ich noch einmal Gisela Zifonun)

    veröffentlicht: Anke Engelmann, Freitag, 17.12.2021 in Gender, Gutes Deutsch

  • Funke schließt TA-Druckerei

    Der Journalist und frühere CvD der Thüringer Allgemeinen, Eberhardt Pfeiffer, schreibt über die Schließung der TA-Druckerei in Erfurt-Bindersleben zum 1. Dezember 2021.

    Tageszeitungen haben es schwer. Sie kämpfen mit dem Rückgang der Abo-Zahlen und in Corona-Zeiten brechen auch noch viele Werbeeinnahmen weg. Die Funke-Gruppe steuert mit ganz eigenen Mitteln dagegen an. Statt ihre Attraktivität für die LeserInnen zu verbessern, spart sie an der Kernkompetenz, nämlich guter journalistischer Arbeit, und wird gleichzeitig immer teurer. Sie kann das, weil sie in Thüringen das Monopol hat, ihr gehören alle regionalen Tageszeitungen. In wenigen Tagen verlegt die Geschäftsleitung auch noch den Druck der Zeitung. Am 1. Dezember schließt die Druckerei in Erfurt-Bindersleben und 270 Leute stehen auf der Straße.

    Was diese Schließung u.a. für Auswirkungen auf die AbonnentInnen haben wird, beschreibt der Journalist Eberhardt Pfeiffer auf seinem Blog-Arnscht.

    veröffentlicht: Anke Engelmann, Freitag, 26.11.2021

  • Gisela Zifonun: Die demokratische Pflicht und das Sprachsystem

    Der Sprachwissenschaftlerin Gisela Zifonun ist nicht wohl bei "krampfhaften Vermeidungsstrategien", die das gendergerechte Formulieren zu einem "Slalom" machen. "So werden wir unsere Sprache mit all ihren Schwächen und (vielleicht) Ungerechtigkeiten endgültig zu lieben verlernen", fürchtet sie.

    Gefunden auf der Seite des Instituts für deutsche Sprache Mannheim (IDS): sehr informativer und differenzierter Beitrag von der Germanistin Prof. Gisela Zifonun zum Thema "gendern".

    veröffentlicht: Anke Engelmann, Donnerstag, 11.11.2021 in Gender, Gutes Deutsch

  • SALVE! Straßenkunstfestival

    Lesung am 18.9. in Weimar. Kalt wars. Schön wars.

    So sah sie aus, die Lesung mit Regina Jarisch. Das war am 18. September, beim SALVE!-Festival. Eine schöne Atmosphäre in der Stadt, überall Musik und Literatur und Kunst. Danke, Weimar!

    veröffentlicht: Anke Engelmann, Donnerstag, 23.09.2021 in Wege durch die Stadt

  • 9.9.: Tag des typografisch richtigen Apostrophs

    Anke’s Tipp’s für’s richtige Schreiben

    Seit 2018 wird am 9.9. der internationale Tag des typografisch richtigen Apostrophs begangen. Die Neun mit ihrer Kommaform erinnert an den typografischen Apostroph, der unter Windows mit der Tastenkombination

    alt+0146 (Ziffernblock), und unter Mac mit

    alt+shift+# (Mac)

    eingefügt werden kann. Ins Leben gerufen hat diesen Tag der deutsche Grafik-Designer Roland Scheil.

    Mehr darüber auf der Webseite: Kuriose Feiertage. Mehr über Ge- und Missbrauch des kleinen Hochkomma’s (autsch) auf der Webseite von Volker Gringmut.

    veröffentlicht: Anke Engelmann, Donnerstag, 09.09.2021

  • Grüner wird's nicht

    In seiner Kolumne "Hanks Welt" in der FAS schreibt Rainer Hank über Nachhaltigkeit und die Klassik Stiftung Weimar

    Der Klassik Stiftung wirft Hank vor, sie äffe "nur den Zeitgeist nach", statt in ihren Parks und Gärten zu prüfen, wie eine Anpassung an die veränderten Klimabedingungen gelingen könnte – notfalls auch gegen die historische Gestalt. Die Kolumne ist hier zu finden.

    veröffentlicht: Anke Engelmann, Donnerstag, 09.09.2021

  • Man traut sich ja nicht mehr zu sagen ...

    ... dass man geimpft ist, sagte neulich eine Freundin. Wie zwei Verschwörerinnen haben wir uns angezwinkert. Ja, ich bin auch geimpft.

    Nach langem Nachdenken habe ich mich für Janssen (Johnson und Johnson) entschieden, den Einmalimpfstoff. Aber: Mich stört die Art, wie übers Impfen und über den Virus informiert und gesprochen wird. Dass Impfen als unausweichlich, als alleiniger "Königsweg" beschrieben wurde, auch von Medien, die ich eigentlich wegen ihrer Ausgewogenheit schätze. Dass man lange nirgendwo erfahren konnte, wie man sich noch vor Ansteckungen schützen kann (außer mit Masken und Abstand): Immunsystem stärken. Auf den Vitamin D3 und Vitamin K2-Spiegel achten. Dass mögliche Impf-Nebenwirkungen heruntergeredet werden und wurden. In meinem Umfeld haben einige Menschen Probleme bekommen. Eine Bekannte war wegen Problemen mit dem Herzmuskel im Krankenhaus, eine hat wegen Fieber und Schüttelfrost den Notarzt gerufen, bei einer Freundin hat eine Gürtelrose die Gelegenheit wahrgenommen, sich auszubreiten.

    Über die neuartigen mRNA-Vacczine wissen wir mehr als über jeden anderen Impfstoff. Dieses Wissen trägt nicht gerade zur Beruhigung bei. Im Gegenteil: Ich finde die Vorstellung beängstigend, dass Informationen in meine Zellen gebracht werden. In Fettzellen eingebettet! Man muss den Menschen zugestehen, dass sie Angst haben. Dass sie Zeit brauchen. Als ich im Frühsommer bei einer Hausärztin gesagt habe, dass ich noch überlege und sie gefragt habe, ob sie mich beraten könne, hat sie mich angeekelt angeschaut: "Sie sind doch nicht etwa eine von diesen IMPFGEGNERINNEN!"

    Wir können uns den Impfstoff aussuchen, und wir können auch Nein zur Impfung sagen. Das vergessen viele, die so vehement diskutieren. Dass wir die Wahl haben. Aber: Wer sich gegen eine Impfung entscheidet, hat die Verantwortung, sich und andere zu schützen. Immer. In jeder Situation. Mir persönlich war das zuviel. Wenn alle Ungeimpften diese Verantwortung wahrnehmen würden – bräuchten wir dann die Diskussion, ob man Ungeimpfte wie in einem Lockdown vom (im weitesten Sinne) kulturellen Leben erneut ausschließt? Ich meine, wer sich wie ein trotziges Kind verhält, wird auch so behandelt.

    veröffentlicht: Anke Engelmann, Donnerstag, 26.08.2021 in Corona, Politisches

  • Freewriting vorm Workshop

    Digitale Kurse haben auch gute Seiten. Zum Beispiel können Menschen teilnehmen, die nicht vor Ort sein können. Aber ihre Vorbereitung dauert länger. Man muss gut strukturieren, die Online-Hilfsmittel für die TeilnehmerInnen bereitlegen und alle sichten. Deshalb sitze ich am Workshop-Tag Stunden vorher auch schon am Rechner.

    Ach, ich mag nicht. Das Abgleichen und Links probieren. Irgendwie würde ich jetzt gern noch ein bisschen über Hannes nachdenken. Oder einfach so schreiben ...

    Schreiben. Wie tröstlich. Das Klappern der Tastatur umhüllt mich wie die Geräusche auf einem Schiff. Ich verlasse die Realität. Fahre in den Tunnel ein, meine Aufmerksamkeit fokussiert sich, der Blick wandert zwischen Tastatur und den Zeilen auf dem Bildschirm. Nur verschwommen nehme ich meinen Schreibtisch wahr, das Papier darauf, die Becher mit den Stiften, das Metall-Lineal direkt vor mir.

    Dabei wird es nachher bestimmt schön. Aber dieses Abgleichen. Das ist wie ... Buchhaltung. Ja. Digitale Kurse haben viel BuchhalTERisches. Mit Insider-Betonung auf der vorletzten Silbe: BuchhalTERisch.
    Ich fang dann jetzt mal an. Hülft ja nüscht. Muss ja.

    veröffentlicht: Anke Engelmann, Samstag, 24.04.2021 in Schreiben

  • Ausnahmezustand

    Wir sind in einem Krieg: Alles Zivile ist auf Null heruntergefahren. Was nicht unmittelbar gebraucht wird, gilt als Luxus und deshalb als entbehrlich.

    Die Auswahl der Ausnahmen scheint willkürlich und ungerecht, man kann sich streiten, ob Solarien lebenswichtig sind. Und man kann sich streiten, wie groß die Gefahr ist, sich im Kino, im Museum, auf der Terrasse eines Restaurants, mit Corona anzustecken.

    Das Kleingewerbe vertrocknet und stirbt, je länger der Lockdown anhält. Auch Verlage. Wahrscheinlich werden nur die Großen bleiben, wahrscheinlich ändert sich die Verlagslandschaft grundlegend: weg vom klassischen Verlag, der mit den AutorInnen arbeitet, hin zum Dienstleister-Verlag, der für AutorInnen arbeitet.

    Der Kunde ist König. Die Arbeit eines Dienstleisterverlages, bei dem die AutorInnen für eine Veröffentlichung bezahlen, zielt nicht auf LeserInnen, sondern auf AutorInnen. Das hat Auswirkungen auf die Qualität der Bücher. Einige AutorInnen sind unbelehrbar und beratungsresitent. Ohnehin fragt man sich bei manchen Büchern, die auf dem Markt sind, wie die entstehen konnten – und das eigene nicht.

    veröffentlicht: Anke Engelmann, Freitag, 16.04.2021 in Corona, Lesen

  • Als ich die Amseln ins Spiel brachte, schlug sofort die Stimmung um: Alle atmeten erleichtert auf, ein Lächeln kroch auf die Gesichter. Wir hatten über Corona diskutiert, über Corona geschrieben, Corona hier und Corona dort. Mir wurde klar: Ich habe keine Lust mehr auf Corona. Und meine KursteilnehmerInnen im Kultur: Haus Dacheröden offensichtlich auch nicht. Es reicht. Es ist genug. Corona, verpiss dich!

    veröffentlicht: Anke Engelmann, Donnerstag, 02.07.2020 in Corona

  • Corona, Cosinus, Kokosnuss

    Nach dem ersten ist vor dem zweiten Lockdown

    Wie war doch gleich das C-Wort, das in den letzten Wochen die Sprache okkupiert und das Leben bestimmt hat? Einfach alles war Co... Und jetzt? Mit einem Schnipp! sind wir wieder im Ursprungsmodus, die Kids in der Schule, das Home-Office aufgelöst, die Enkel bei den Großeltern, wir haben wieder Demokratie. Endlich wieder Struktur im Alltag, endlich wieder Platz für Schreibroutine. Chaotisch-Beängstigendes ist vorbei, die Frisur gerichtet und frisch getönt, die langen Haare sind ab.

    »Nach Corona wird nichts mehr so sein wie vorher« – schon vergessen? Vom bedingungslosen Grundeinkommen haben wir geträumt, vom Umbau des Gesundheitssystems in eines, bei dem der Mensch im Mittelpunkt steht, von angemessener Bezahlung für die Care-Berufe. Keine Autos, keine Flugzeuge, kein Industrie-Dreck. Und jetzt? Geblieben sind Abstand und Maske.

    veröffentlicht: Anke Engelmann, Donnerstag, 02.07.2020 in Corona

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